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Genesis Überführung von Rostock nach Greifswald-Wieck

Morgens am 27.03.09 um 07:00 Uhr ist die Abfahrt aus unserem beschaulichen fränkischen Dorf angesetzt. Stefan, mein Nachbar und Mitsegler steht mit seinem Seesack parat und ab geht es zum langweiligsten Abschnitt des Segeltörns über eine leere Autobahn gen Norden. Wir sind bereits um 11:45 am Aldi und Real in Rostock und der Fischwagen hat noch geöffnet. Eine Stunde später bunkern wir bereits Wasser. Am Steg gibt es leider kein Leitungswasser, also Kanister im Waschraum füllen, und zum Schiff schleppen und Kanister für Kanister auffüllen. Gezählt haben wir die Anzahl nicht, aber unsere Arme werden auffallend länger. Nach dieser Sporteinlage nehmen wir unseren Hunger zur Kenntnis und fallen über die Matjesbrötchen her.

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Gestärkt und erfrischt sind wir schnell „Klar Schiff“. Den Autoschlüssel deponiere ich in der Hotellobby; denn Peer will uns am Sonntag morgen in Greifswald abholen.

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Um 15:00 Uhr sind wir startklar. Nachdem das Spinnennetz der 10 in Worten „zehn“ Vor- /Achter- und Springleinen gelöst ist, drehen wir den Bug in Richtung Hafeneinfahrt. Zur Einstimmung des Gleichgewichtsgefühles und zum Anwachsen der Seebeine setzen wir erst parallel zur Fahrrinne Rostock Gedser die Segel. Bei S-SW 3 richten wir uns auf einen langen Schaukel-Raumschotkurs ein.

Mit gesetztem Bullenstander und ausgestellter Fock geht es mit „Wenden“ vor dem Wind mit 50° und 350° abwechselnd in Richtung Darßer Ort. Vor Einbruch der Dämmerung wollen wir nichts riskieren und so bleiben der Gennaker und auch die Genua im Segelsack.

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Vor Wustrow sichten wir eine Gefahrentonne, die selbst in unserer 2009 er Karte nicht verzeichnet ist. Die Tonne ist so sauber, dass sich noch keine Algen gebildet haben und der Lack in der Abenddämmerung glänzt und uns spiegelt. Später erfahre ich über DP07 von Kapitän Dietze, daß hier vor kurzem ein Fischer/Angler mit Schiff gesunken ist und leider nicht gerettet werden konnte. Der zum Einsatz herbeieilende Seenotretter hatte einen zu langen Anfahrtsweg und reduzierte damit die Überlebenschancen auf das bekannte traurige Schicksal. Müssen immer erst Menschen sterben, bevor die örtlichen Behörden das Dauerthema Darßer Ort als Liegeplatz für einen Seenotretter wieder aufgreifen! Erst gegen 19:00 Uhr verschwindet die Sonne am Horizont und eine pechschwarze Nacht umgibt uns.

Heißer Tee spült die beginnende Kälte aus den Körper. Im Ofen wird das Grillhähnchen in Stücken erwärmt und es gibt Bandnudeln mit Erdnuß-Ingwersoße dazu. Ingwer ist für mich das Allheilmittel meiner Mitsegler gegen die Seekrankheit.

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Nach dem Essen folgt die Wacheinteilung im 2-2-2-2-3-3-3 Rhythmus. Gegen 21:30 liegt Darßer Ort querab und pünktlich zum Segelmanöver dreht der Wind auf Süd mit jetzt 4-5 Beaufort. Wir binden das 1. Reff ein und haben wieder Ruhe im Schiff. Der ½ Knoten Fahrtverlust stört uns auf dieser Etappe nicht. An der Kadettrinne begeistert die Lichtershow der endlosen Dampferkarawane, die hier unbeirrt ihre nächtliche Fahrt fortsetzt. Unser Radar läuft mit und mit dem Aktiv-Responder machen wir auf uns aufmerksam. Schaue ich mir die Lichterkette an, denke ich, die Pötte sind zum Greifen nahe. Gleiche ich meinen Eindruck mit dem Radar ab, bin ich über meine schlechte Wahrnehmung entsetzt. Die Schiffe ziehen im Abstand von 4 Sm an uns vorbei.

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Den Gelenstrom erreichen wir vor 2:00 Uhr. Fock einrollen, Groß mittschiffs festsetzen und der Motor wird gestartet. Unter Motor und Stützsegel geht es ins Funkel- und Blitzermeer der auf uns zukommenden Tonnen. Ohne Radar würden wir hier Gefahr laufen, zwischen den beleuchteten eine der unbeleuchteten Tonnen zu treffen. Völlig irritiert bin ich von einem Fischernetz, das mit L.E.D. Leuchten wie eine „Tonne“ für mich gekennzeichnet ist und in der vom Plotter angezeigten Rinne steht. Stimmt der Plotter nun nicht oder ist das Netz vertrieben? Ein sanfter Aufsetzer im Schiet belehrt mich eines besseren. Die im Plotter gekennzeichnete Rinne stimmt nicht mehr mit den Gegebenheiten überein. Von der Luvseite der Rinne rutschen wir schon durch den Segeldruck wieder in tiefes Wasser und ich sehe nun auch meine „richtige“ Fahrwassertonne. Jetzt ist Stefan an Deck und kann seine frisch erworbenen Kenntnisse aus dem Segelunterricht in der Praxis unter Beweis stellen. Nach zwei weiteren Stunden haben wir uns durch den Tonnenwald des Gelenstroms um Barhöft bis zur Einfahrt in den Strelasund vorgetastet. Die letzte halbe Stunde bis zum Brückenzug tuckern wir unter Motor durch den Stralsunder Hafen in Richtung Brücke. Mittlerweile dämmert es bereits und in der Pfanne brutzeln die Spiegeleier und der betörende Espressoduft muß wohl den Brückenwärter verleitet haben, uns einsamen Seglern den Zug um 05:20 Uhr nicht zu gönnen.

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Auf Nachfrage bekommen wir zu hören, das wir eine viertel Stunde vorher in der Fahrrinne sein sollen und auf die Brücke zufahren müssen. Was haben wir wohl die letzte halbe Stunde gemacht? Nun denn, wir haben (Frei)zeit und keine Lust zur Aufregung. Ran an den Wartedalben, Wecker auf 08:00 Uhr gestellt und ab in die Koje. Der 08:20 Uhr Zug klappt dann wie gewohnt und im Strelasund kommen Stefan und ich mit einem langen Kreuzgang unter Vollzeug auf unsere Segelkosten. Die Wenden bis zur Ansteuerung in die Dänische Wieck haben wir nicht gezählt. Der Wind drehte im Laufe des Morgens von S über SSO- SO bis Ost gegen den Uhrzeigersinn durch und blies konstant mit 4-5 Beaufort.

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Gegen 13:00 Uhr verpassen wir natürlich den Brückenzug in Wieck um ein paar Minuten und so vertreten wir uns die Beine am ehemaligen Tankstellenanleger und gönnen uns ein Matjesbrötchen bei Gurke (Reusen-Haus) und ein Willkommensbier. Mit dem 15:00 Uhr Zug beenden wir unseren Überführungstörn nach 104 Sm am Liegeplatz in Wieck-Ladebow. Peer holt uns am Sonntag morgen pünktlich ab. Wir bringen ihn zurück nach Rostock und haben uns so eine mehrstündige Zugfahrt gespart. Danke nochmals an Peer.

Peter Thumel, im März 2009

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